Wednesday, April 28, 2010

Der Torpedo aus dem Nirgendwo


03.07.10 18:07

Südkorea trauert um tote Marinesoldaten: Der Torpedo aus dem Nirgendwo - taz.de

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28.04.2010

SÜDKOREA TRAUERT UM TOTE MARINESOLDATEN

Der Torpedo aus dem Nirgendwo

VON SVEN HANSEN

Die Regierung in Seoul hat kaum realistische Optionen, um auf

das Versenken eines Kriegsschiffs durch einen mutmaßlichen

nordkoreanischen Torpedo zu reagieren.

Südkorea trauert noch bis Donnerstag offiziell um 40 tote und

sechs vermisste Marinesoldaten. Sie ertranken am 26. März mit

ihrer Korvette "Cheonan" vor der Westküste des Landes, als das

Schiff nach einer Explosion zerbrach und sank. Die "Cheonan"

patrouillierte die Grenzgewässer zum kommunistischen Nordkorea.

In dem umstrittenen Seegebiet hatte es schon dreimal Seegefechte

zwischen nord- und südkoreanischen Schiffen gegeben, zuletzt im

November.

Nach dem Sinken der "Cheonan" versprach Südkoreas

konservativer Präsident Lee Myung Bak eine "schonungslose

Aufklärung" und "entschlossene Maßnahmen", ohne Nordkorea als

möglichen Urheber zu erwähnen. Schon direkt nach dem

Untergang wurde über einen nordkoreanischen Torpedo oder die

Explosion einer aus dem Koreakrieg (1950-1953) stammenden

Seemine spekuliert. Gemutmaßt wurde auch über ein

Selbstmordattentat mit einem nordkoreanischen Mini-U-Boot.

Mittlerweile wurden beide Teile des Wracks geborgen und

Hinweise auf Torpedobeschuss gefunden. Der Chef der

Untersuchungskommission, an der auch US-amerikanische und

schwedische Experten beteiligt sind, hält eine äußere Explosion für

wahrscheinlich. Am Sonntag sagte Südkoreas

Verteidigungsminister, "höchstwahrscheinlich" sei unter dem Schiff

ein Torpedo explodiert, dessen Druckwelle es zerborsten habe.

Zum Absender des Torpedos schwieg er.

Privat beschuldigen südliche Regierungsangehörige Nordkorea,

doch nicht offiziell. Zum einen sind noch nicht alle Zweifel restlos

ausgeräumt, zum anderen könnten solche Vorwürfe die

Spannungen auf der Halbinsel anheizen und zum militärischen

Konflikt mit dem atomar bewaffneten Nordkorea eskalieren. Bereits

dessen konventionelle Waffen gelten als so stark, dass allein die

Artillerie die grenznahe südliche Hauptstadt stark zerstören könnte.

Technisch sind Nord- und Südkorea ohnehin noch im

Kriegszustand, da der Krieg vor 57 Jahren nur mit einem

Waffenstillstand beendet wurde.

Das Regime in Pjöngjang weist jede Schuld von sich. Es ließ über

die amtliche Nachrichtenagentur einen Militärsprecher erklären,

"Kriegstreiber und Rechtskonservative versuchen, uns mit dem

tragischen Vorfall in Verbindung zu bringen", für den sie selbst

verantwortlich seien. Auch seien die Schuldzuweisungen ein

durchsichtiges Wahlkampfmanöver.

Zwar sagte Südkoreas Präsident Lee, der Vorfall erinnere seine

Landsleute daran, dass sie "in der Nähe des kriegerischsten

Landes" lebten. Doch sucht Lee, der die Entspannungspolitik

seiner Vorgänger gegenüber dem Norden beendete, eine

nichtmilitärische Antwort. Denn ein Konflikt dürfte das

Wirtschaftswachstum, mit dem Südkorea gerade die globale

Finanzkrise hinter sich ließ, abrupt beenden.

Am Freitag und Samstag ist Lee zur Eröffnung der Expo in

Schanghai und trifft Chinas Präsident Hu Jintao. Peking ist der

wichtigste Unterstützer des nordkoreanischen Regimes von Kim

Jong Il. Letzteres wird nicht nur von westlichen Ländern

sanktioniert, sondern schottet sich auch selbst stark ab. China hatte

bereits nach zwei Atomtests Nordkoreas kein Interesse, das

Nachbarland zu destabilisieren, da die Volksrepublik unter einer

nordkoreanischen Flüchtlingswelle leiden würde. Das von

Lebensmittelhilfe abhängige Nordkorea hat schon im Konflikt um

sein Atomprogramm erklärt, dass schärfere Sanktionen eine

Kriegserklärung seien.

In Südkorea wird erwogen, dem grenznahen nördlichen

Industriepark Kaesong, wo 40.000 Nordkoreaner für südliche

Konzerne arbeiten, zu schließen. Er ist das letzte Großprojekt der

früheren Entspannungspolitik. Ansonsten könnte der Süden weiter

aufrüsten und die Grenzsicherung verstärken. Militärische

Vergeltung ist wie in früheren Fällen unwahrscheinlich. 1974 hatte

ein nordkoreanisches Kommando den Präsidentenpalast in Seoul

angegriffen, 1983 waren südliche Minister beim Staatsbesuch in

Birma von Nordkoreanern getötet worden, 1987 wurde gar ein

Anschlag auf ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug verübt. Jedes

Mal setzte sich im Süden die Einsicht durch, dass Krieg noch

schlimmer ist.

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