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Südkorea trauert um tote Marinesoldaten: Der Torpedo aus dem Nirgendwo - taz.de
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28.04.2010
SÜDKOREA TRAUERT UM TOTE MARINESOLDATEN
Der Torpedo aus dem Nirgendwo
VON SVEN HANSEN
Die Regierung in Seoul hat kaum realistische Optionen, um auf
das Versenken eines Kriegsschiffs durch einen mutmaßlichen
nordkoreanischen Torpedo zu reagieren.
Südkorea trauert noch bis Donnerstag offiziell um 40 tote und
sechs vermisste Marinesoldaten. Sie ertranken am 26. März mit
ihrer Korvette "Cheonan" vor der Westküste des Landes, als das
Schiff nach einer Explosion zerbrach und sank. Die "Cheonan"
patrouillierte die Grenzgewässer zum kommunistischen Nordkorea.
In dem umstrittenen Seegebiet hatte es schon dreimal Seegefechte
zwischen nord- und südkoreanischen Schiffen gegeben, zuletzt im
November.
Nach dem Sinken der "Cheonan" versprach Südkoreas
konservativer Präsident Lee Myung Bak eine "schonungslose
Aufklärung" und "entschlossene Maßnahmen", ohne Nordkorea als
möglichen Urheber zu erwähnen. Schon direkt nach dem
Untergang wurde über einen nordkoreanischen Torpedo oder die
Explosion einer aus dem Koreakrieg (1950-1953) stammenden
Seemine spekuliert. Gemutmaßt wurde auch über ein
Selbstmordattentat mit einem nordkoreanischen Mini-U-Boot.
Mittlerweile wurden beide Teile des Wracks geborgen und
Hinweise auf Torpedobeschuss gefunden. Der Chef der
Untersuchungskommission, an der auch US-amerikanische und
schwedische Experten beteiligt sind, hält eine äußere Explosion für
wahrscheinlich. Am Sonntag sagte Südkoreas
Verteidigungsminister, "höchstwahrscheinlich" sei unter dem Schiff
ein Torpedo explodiert, dessen Druckwelle es zerborsten habe.
Zum Absender des Torpedos schwieg er.
Privat beschuldigen südliche Regierungsangehörige Nordkorea,
doch nicht offiziell. Zum einen sind noch nicht alle Zweifel restlos
ausgeräumt, zum anderen könnten solche Vorwürfe die
Spannungen auf der Halbinsel anheizen und zum militärischen
Konflikt mit dem atomar bewaffneten Nordkorea eskalieren. Bereits
dessen konventionelle Waffen gelten als so stark, dass allein die
Artillerie die grenznahe südliche Hauptstadt stark zerstören könnte.
Technisch sind Nord- und Südkorea ohnehin noch im
Kriegszustand, da der Krieg vor 57 Jahren nur mit einem
Waffenstillstand beendet wurde.
Das Regime in Pjöngjang weist jede Schuld von sich. Es ließ über
die amtliche Nachrichtenagentur einen Militärsprecher erklären,
"Kriegstreiber und Rechtskonservative versuchen, uns mit dem
tragischen Vorfall in Verbindung zu bringen", für den sie selbst
verantwortlich seien. Auch seien die Schuldzuweisungen ein
durchsichtiges Wahlkampfmanöver.
Zwar sagte Südkoreas Präsident Lee, der Vorfall erinnere seine
Landsleute daran, dass sie "in der Nähe des kriegerischsten
Landes" lebten. Doch sucht Lee, der die Entspannungspolitik
seiner Vorgänger gegenüber dem Norden beendete, eine
nichtmilitärische Antwort. Denn ein Konflikt dürfte das
Wirtschaftswachstum, mit dem Südkorea gerade die globale
Finanzkrise hinter sich ließ, abrupt beenden.
Am Freitag und Samstag ist Lee zur Eröffnung der Expo in
Schanghai und trifft Chinas Präsident Hu Jintao. Peking ist der
wichtigste Unterstützer des nordkoreanischen Regimes von Kim
Jong Il. Letzteres wird nicht nur von westlichen Ländern
sanktioniert, sondern schottet sich auch selbst stark ab. China hatte
bereits nach zwei Atomtests Nordkoreas kein Interesse, das
Nachbarland zu destabilisieren, da die Volksrepublik unter einer
nordkoreanischen Flüchtlingswelle leiden würde. Das von
Lebensmittelhilfe abhängige Nordkorea hat schon im Konflikt um
sein Atomprogramm erklärt, dass schärfere Sanktionen eine
Kriegserklärung seien.
In Südkorea wird erwogen, dem grenznahen nördlichen
Industriepark Kaesong, wo 40.000 Nordkoreaner für südliche
Konzerne arbeiten, zu schließen. Er ist das letzte Großprojekt der
früheren Entspannungspolitik. Ansonsten könnte der Süden weiter
aufrüsten und die Grenzsicherung verstärken. Militärische
Vergeltung ist wie in früheren Fällen unwahrscheinlich. 1974 hatte
ein nordkoreanisches Kommando den Präsidentenpalast in Seoul
angegriffen, 1983 waren südliche Minister beim Staatsbesuch in
Birma von Nordkoreanern getötet worden, 1987 wurde gar ein
Anschlag auf ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug verübt. Jedes
Mal setzte sich im Süden die Einsicht durch, dass Krieg noch
schlimmer ist.
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